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Persönliches

Die Content-Krise und wie Corona mein Business verändert hat

Ihr habt bestimmt schon genug Corona-Rückblicke gelesen, trotzdem muss ich mir jetzt endlich all das öffentlich mal von der Seele schreiben. Inspiriert hat mich ganz klar Frau Hölle mit ihrer Ehrlichkeit. Aber dieser Eintrag ist noch mehr. Es ist ein Rückblick auf die Anfänge meines Unternehmens, meine Träume und Ziele und die Veränderungen der letzten Jahre.

Kalligraphie als Job: Let’s do it

Als ich mit Tintenfuchs begonnen habe, war das Ziel meiner Selbstständigkeit simpel: Ich wollte Geld damit verdienen, zu schreiben. Kunden sollten mich dafür bezahlen, ihre Drucksorten zu beschriften oder auf Live-Events ihre Produkte zu personalisieren. Dazu wollte ich Kurse geben, meine Liebe zum Thema weitergeben und im deutschsprachigen Markt die Spitzfeder-Kalligraphie etablieren. Diese Dinge waren mein Fokus und mein Traum.

Mir war klar, dass die Selbstständigkeit mit vielen Dingen verbunden sein würde, die mir keinen Spaß machen: Rechnungen schreiben, Auskünfte geben, Buchhaltung. Kurz: Der ganze Admin-Kram. Und ich war und bin bereit, diese Dinge zu tun, damit meine Haupttätigkeit weiterhin das Schreiben sein kann.

Drei Jahre lang arbeitete ich aktiv und hochmotiviert an diesen Zielen. Bis ich 2019 einen Großteil meiner Ziele erreicht hatte: Monatliche Live-Workshops in Deutschland und Österreich. Veröffentlichte Bücher. Kooperationsanfragen. Mehr Kundenanfragen, als ich bedienen konnte. Ich konnte täglich Stunden mit Schreiben verbringen. Ein volles Konto und jeden Tag Spaß an der Arbeit.

Social Media

Instagram und Social Media liefen parallel dazu. Mir war klar, dass eine gewisse Präsenz auf IG nötig war um meine Zielgruppe zu erreichen. Aber ich hatte auch Spaß daran,  mit anderen Kalligraph:innen zu kommunizieren und meine Sachen zu zeigen. 2019 wurden meine Posts weniger, weil ich mehr Jobs hatte als Zeit zum posten. So glücklich wie in diesem Jahr war ich in meinem Leben noch nicht.

Kabumm

Ja und dann … natürlich Corona. Könnt ihr es noch hören? Viele können sich nicht vorstellen, wie sich die Pandemie auf ein kleines Einzelunternehmen im Kalligraphiebereich auswirkt, aber es wirkte sich massiv aus.
In Zahlen: 2020 verdiente ich die Hälfte von 2019.
In Jobs: Jobmäßig hatte ich mich auf große Veranstaltungen spezialisiert, sowohl auf die Vorab-Beschriftung von Papeterie als auch auf die Live-Events. Das fiel alles weg, ebenso wie die Kurse. Ich saß plötzlich vor einem leeren Kalender und fiel in ein Loch, begab mich seit langer Zeit wieder in Therapie um damit umzugehen. Mein Mann saß im selben Zimmer, permanent in Meetings. Für ihn ging es weiter während ich das Gefühl hatte, dass meine Welt stillstand.

Die Lösung?

Die offensichtliche Lösung und das große Halleluja: DAS INTERNET. Communities schlossen sich zusammen um gemeinsam gegen die Einsamkeit und den Einkommensverlust vorzugehen. Lettering in Deutschland lancierte einen gemeinsamen Zoom-Account, über den Kurse angeboten werden konnten. Ich sprang dankbar auf den Zug auf. Eine Zeit lang waren diese Kurse fast mein einziges Einkommen.

Die Masse, der Druck, der Content-Wahn

Natürlich war ich nicht die Einzige die das tolle Angebot der Onlinekurse nutzte. So viele Spitzfederkurse wie im letzten Jahr habe ich noch nie online gesehen. Was hieß das übersetzt? Konkurrenz. Leistungsdruck. Innovationsdruck. Neue Themen, neues Publikum. Zielgruppen erschließen, Zielgruppen erreichen, aus der Masse hervorstechen. Währenddessen gegen das Gefühl der Hilflosigkeit und Leere ankämpfen und versuchen, nicht der Hoffnungslosigkeit zu verfallen. Ich hatte das Gefühl dass alles, was ich mir über Jahre aufgebaut hatte unter mir wegbrach während ich versuchte mir unter Tausenden Gehör zu verschaffen. 90% meiner Energie verwendete ich auf Schwimmen, einfach um psychisch nicht unterzugehen.

#spitzfeder #wirschnörkeln #fuckthealgorithm

Die Content-Flut von Menschen in meinem Boot und von Hobby-Künstler:innen, die pandemiebedingt zu Hause saßen war und ist immer noch enorm. Instagram, wo ich früher gerne und zum Spaß gepostet und interagiert hatte, macht mir keine Freude mehr. Ich habe das Gefühl, dass jeder Post ein Ziel verfolgen muss, einen Mehrwert bieten, besser sein als anderer Content. Ich merke, wie ich selbst bitter werde. Wo ich früher Spaß daran hatte für mich selbst zu kalligraphieren und einfach daheim Sachen auszuprobieren ist jetzt nur mehr Druck. Jedes mal wenn ich die Feder in die Hand nehme ist mein erster Gedanke: Was mache ich, das ich dann posten kann um meine Reichweite zu erhöhen um gehört zu werden um mein Business weiterleben zu lassen? Das macht mir keinen Spaß. Alle bieten Content an. Viele gehen darin auf. Mich zermürbt es. Ich bin im Herzen kein Content Creator. Ich unterrichte gerne – in Person und auch Online-Workshops. Ich bin ein Erklär-Bär! Aber ich habe keine Freude daran, Content for Content’s sake zu machen und ins Internet hinauszuschubsen in der Hoffnung, dass mich jemand hört. Ich habe nicht die Energie, jeden Tag zu posten um meinen Account am Leben zu erhalten. Ich will nicht unsichtbar werden und in der Masse untergehen, aber ich habe auch keine Energie mehr, zu schwimmen.

Lange Rede, kurzer Sinn

Ich mache Instagram-Pause. Ich werde weiterhin Kurse geben, Stories posten und Patreon befüllen und natürlich Kundenarbeiten machen. Ich werde mich auf die Dinge konzentrieren, die mir Spaß machen: Interaktion mit euch, ob in Person oder über Webcam. Das mag ich, das macht mir Freude. Und ich möchte schreiben, ohne dass es jemand sehen muss. Ohne den Druck, dass daraus ein Instagram-würdiges Bild entstehen muss.

Und ich versuche die Hoffnung nicht aufzugeben zu dem zurückkehren zu können, wegen dem ich Tintenfuchs gegründet habe: Die Arbeit für meine Kund:innen und das Zeigen der Schönheit des Schreibens.

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